JOHANNA NOWAK

ARBEITSTEILUNG

 


Elfriede seufzt, streicht die Haare aus der Stirn, fühlt sich müde, frustriert und deprimiert. Irgend etwas ist falsch gelaufen, überlegt sie. Und dabei hat sie immer geglaubt, alles richtig zu machen. Noch wenige Monate zuvor ist der Haushalt trotz ihrer Berufstätigkeit stets tadellos erledigt worden, das Essen pünktlich auf dem Tisch gestanden, für Alfred, ihren Mann, jeden Tag ein frisch gewa-schenes, gebügeltes Hemd und ein sauber geputzter Anzug bereit gelegt gewesen - mit Hilfe ihrer Mutter und von Frau Huber, ihrer Putzfrau, die sie als Kind schon gekannt hatte. Aber nun ist ihre Mutter eines Hüftleidens wegen operiert worden und Frau Huber in Pension gegangen. Einige Zeit hat Elfriede versucht, Beruf, Haushalt und die Erziehung ihrer Kinder, der siebenjährigen Zwillinge Roland und Renate, neben ihrer neuen Putzfrau, die zwar recht nett, aber nur einmal in der Woche kommen und nie ein wirklicher Ersatz für Frau Huber sein kann, alleine zu bewältigen. Es ist ihr nicht gelungen.
"Alfred!" hat sie vor kurzem zu ihrem Mann gesagt. "So geht es nicht weiter."
Er hat ihren Argumenten zugehört und dann, ohne lange zu zögern, versichert: "Selbstverständlich leiste ich meinen Beitrag."
Und jetzt ...
Alfred bemüht sich. Das muß sie zugeben. Dennoch ...
Elfriede seufzt erneut, holt die letzten Gegenstände aus dem Einkaufswagen und verstaut sie an den zuständigen Stellen. Vor der Zubereitung des Abendessens ist sie nicht dazu gekommen. Alfred und die Kinder haben vorhin den Tisch recht hübsch gedeckt, fällt ihr ein, mit weißem Tisch-tuch, Servietten, Blütenzweigen und Kerzen. Auch die Mahlzeit ist in bestem Einvernehmen ver-laufen. "Was haben Sie für einen wunderbaren Mann!" Dieser Satz dröhnt noch immer in ihren Ohren. Wer hat diesmal? Ach ja, die Lehrerin ihrer beiden Kinder, der sie vorhin auf der Straße begegnet ist. Vor wenigen Tagen haben Nachbarin und Hausbesorgerin Ähnliches behauptet und die Kolleginnen in der Schule, an der Elfriede selbst unterrichtet. Besonders schwärmen ihre Mutter und die Schwiegermutter von Alfred, und vor allem Roland und Renate.
Aus dem Badezimmer schallt fröhliches Lachen. Alfred befindet sich dort mit den Kindern. Ja, er versteht es, die abendliche Reinigung zu einem Fest umzugestalten. Bei ihr haben die Zwillinge gemault und nur widerwillig mitgetan. Inzwischen ist der Einkaufswagen leer geworden. Eigentlich eine unnötige, zusätzliche Arbeit, stellt sie fest. Aber ihr Mann und die Kinder hatten beim nach-mittäglichen Einkauf im Supermarkt eine Menge überflüssiger Dinge mitgenommen und andere wichtige vergessen. Nun hat sie noch schnell vor dem Abendessen selbst dorthin eilen müssen, um das Fehlende zu besorgen. Sie ist still und unbemerkt zwischen den Regalen umhergegangen, während Alfred und die Kinder an der gleichen Stelle sicher die Stars gespielt haben, umschwärmt von Verkäuferinnen, Kassiererinnen und Kundinnen.
Anschließend füllt sie die Waschmaschine. Diese - nachdem er die Kinder zu Bett gebracht hat - einzuschalten, betrachtet Alfred als seine Aufgabe. Fasziniert steht er dann davor und betrachtet die in der Trommel rotierende Wäsche.
"Ich habe gar nicht gewußt, daß Hausarbeit so viel Spaß macht", versichert er stets von neuem.Immer lauteres Schreien tönt aus dem Badezimmer. Wasser hört sie überschwappen, unter-scheidet das Gurgeln ihres Mannes, Renates Gekreische und Rolands Gekicher. Sie stellt das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine. Unbehagen erfaßt sie von neuem, sie betrachtet ihre Hände.
"Ich sollte diese mehr schonen", sagt sie zu sich selbst, "oder wenigstens Gummihandschuhe verwenden. Aber meistens vergesse ich darauf oder komme nicht dazu."
Füße tappen über den Flur, die Tür zum Kinderzimmer fliegt auf und wieder zu. Bald darauf betritt Elfriede das Bad, rutscht aus und schlägt sich den Knöchel an. Frotteetücher und Lappen schwimmen in Pfützen auf dem Fliesenboden, vereint mit Holzschiffchen und Plastiktieren. An der Innenwand der bereits geleerten Wanne kleben Schaum- und Schmutzränder, und die Wasser-spritzer reichen bis hoch hinauf. Elfriede atmet tief ein und aus, nimmt ein Tuch, bückt sich und fängt an aufzuwischen.
Inzwischen schwillt der Lärm im Kinderzimmer zu höchster Lautstärke an. Veranstalten die drei dort drinnen einen Polsterkampf? Wenn nur kein Kissen dabei zerreißt wie vor einigen Tagen. Etliche der winzigen Flaumfedern befinden sich noch immer in Ritzen und Spalten und sind trotz sorgfältigen Saugens und Putzens nicht daraus zu entfernen.
Bei dieser Arbeitsteilung stimmt etwas nicht, überlegt Elfriede. Ich muß noch einmal mit Alfred darüber sprechen.