„Meine Liebe“, begrüßte mich Monsieur Trébuchet,
„wann werden Sie mich endlich heiraten?“ „Nach der
Ausstellung“, sagte ich und begann mit den Verhandlungen. Wir
waren gerade dabei, die erste internationale Plüschsofa-Ausstellung
zu organisieren. Die größte Herausforderung war, den passenden
Ort zu finden. Unsere Wahl fiel schlussendlich auf Wien. Wir trafen
einander bei Pavel in Rom, tranken Budweiser Bier und machten Pläne
für die Ausstellung. Catherine schlug das Bundesmobiliendepot vor.
Sie meinte, dort gäbe es von Haus aus viele Plüschsofas. Ich
erinnerte mich an eine einsame Besichtigung vor Jahren, nur der Aufseher
und ich, und an die rasante Fahrt im kaiserlichen Rollstuhl Maria Theresias
durch die Gänge; ich versunken im grünen Samt, der Aufseher
freudig außer Atem. Chico war gerade aus Rio zurückgekehrt
und döste vor sich hin. Wie immer war er keine Hilfe für uns.
Zwei Wochen nach diesem Treffen flog ich nach Wien. Das Bundesmobiliendepot
hatte unser Ansuchen abgelehnt, ebenso das Belvedere, das Kunsthistorische
Museum und das Schloss Schönbrunn. Also blieb nur mehr die Möglichkeit,
uns für viel Geld in der Hofburg einzumieten. Am Flughafen nahm
ich ein Taxi und fuhr direkt zum Palais Pálffy, wo ich ein Treffen
mit Monsieur Trébuchet vereinbart hatte. Der exzentrische Millionär
hatte uns bereits früher bei Projekten finanziell unterstützt.
„Wie geht es denn Ihrer Freundin Catherine?“, fragte mich
Trébuchet. Das brachte mich auf die Palme. Catherine ist schlank
und groß, einsfünfundachtzig, mit Stöckelschuhen schon
mal einsneunzig. Sie ist bald Vierzig und sieht mindestens zehn Jahre
jünger aus. Den Großteil ihrer Zeit verbringt sie in den
Salons reicher Witwen. Ihre Eltern waren früh bei einem Verkehrsunfall
ums Leben gekommen, und Catherine war mit ihrer Tante, einer mittelmäßigen
Schauspielerin, jahrelang auf Weltreise gewesen, von einem Salon zum
anderen. „Catherine klappert die Witwen ab“, sagte ich kühl,
„nach Exponaten für unsere Ausstellung. Etwas anderes hat
sie ja nicht gelernt.“ Nach zwei turbulenten Tagen mit Monsieur
Trébuchet in Wien, verließ ich die Stadt Hals über
Kopf und ziemlich müde. Er würde sich wieder um alles Finanzielle
kümmern. Monsieur Trébuchet hatte mich in die schicksten
Restaurants zum Essen ausgeführt und unbedingt darauf bestanden,
mir ein Kleid für die Ausstellungseröffnung zu kaufen. Dieses
Geschenk konnte ich annehmen, war es doch für einen geschäftlichen
Anlass bestimmt. Bei unserem Abschiedssouper im Hotel Sacher hatte er
meine Hand getätschelt und von einem herrlichen Loft in New York,
einem sonnigen Penthouse in Paris und einem einsamen Chalet in St. Moritz
gesprochen. „Nach der Ausstellung“, hatte ich geantwortet
und war rasch zum Ausgang geflüchtet. „Ihr werdet es nicht
glauben“, sagte Pavel beim nächsten Treffen in seiner Wohnung,
„die Gräfin ist von unserer Idee begeistert!“ „Wunderbar!“,
riefen wir alle wie aus einem Mund. Die Gräfin war Pavels südböhmische
Tante, auf deren Schloss wir vor Jahren eine erfolgreiche Ausstellung
veranstaltet hatten. „Vampirismus im 20. Jahrhundert“ war
überaus gruselig ausgefallen, was wohl auch an Pavels Tante lag.
Die Haut der Gräfin schimmert wie milchiges Wasser und ihr Blick
ist durchdringend und kühl. Selbst wenn sie ein liebliches Sommerkleid
trägt, hat man das Gefühl, es wäre mitten im Winter.
Lernt man sie besser kennen, bemerkt man bald, dass es sich bei ihr
um eine witzige und kluge Dame handelt. „Sie wird sich beteiligen“,
sagte Pavel, „aber nur unter der Bedingung, dass wir ihr Glückssofa
ausstellen.“ „Herr im Himmel“, stöhnte Chico
und verfiel wieder in seinen Dämmerzustand. Wie immer war er keine
Hilfe für uns. Das violett und grün gemusterte Glückssofa
der Gräfin konnte auf eine lange Geschichte verweisen, es stammte
aus dem 18. Jahrhundert. Nimmt man zufälligerweise darauf Platz,
wird man in der nächsten Zeit mit Glück belohnt. Versucht
man es absichtlich, passiert gar nichts. Chico war bei den Vorbereitungen
der Vampirismus-Ausstellung versehentlich mit einer 80jährigen
Freundin der Gräfin auf dem Glückssofa zu sitzen gekommen.
Es folgte eine einjährige Affäre zwischen den beiden, die
Chico beinahe den Verstand gekostet hätte. Gottseidank entschlummerte
die ältere Geliebte eines Tages. Seit damals meidet Chico alle
Frauen in der zweiten Lebenshälfte. Ich war gerade in Paris gelandet,
als mein Handy klingelte. „Meine Liebe“, begrüßte
mich Trébuchet, „kommen Sie doch bei mir vorbei. Heute
ist es besonders sonnig!“ „Nach der Ausstellung“,
sagte ich und hetzte zum erstbesten Airline-Schalter um mir ein Ticket
für den nächsten Flug zu kaufen; egal wohin. Catherine hatte
eine lange Liste der Plüschsofas angelegt und bereits Einteilungen
nach Kategorien vorgenommen: Sie unterschied nach Farbe, Alter und Zustand,
sowie nach finanziellem Wert, historischer Bedeutung und damit verknüpften
Anekdoten. Wieder trafen wir einander bei Pavel in Rom, tranken Pilsner
Bier und versuchten eine Auswahl zu treffen. Als wir zu keiner Einigung
kamen, schlug Chico vor, dass wir doch auslosen könnten, was Catherine
fast in den Wahnsinn trieb: Sollte ihre ganze Detailarbeit umsonst gewesen
sein? Wie immer war Chico keine Hilfe für uns. Ich setzte mich
schlussendlich durch. Wir gaben den interessanten Sofas aus Europa den
Vorzug und nahmen nur wenige ausgewählte Stücke aus den anderen
Kontinenten in unser Programm auf. Außerdem hatte ich das dumpfe
Gefühl, dass die Liebesbezeugungen Monsieur Trébuchets in
demselben Ausmaß zunahmen wie unsere Ausgaben. Am Morgen hatte
ich eine SMS von ihm erhalten: „Meine Liebe, ich war noch nie
so einsam in St. Moritz wie heute, und das, obwohl ich es gewohnt bin,
hier immer einsam zu sein.“ Ich brachte es nicht übers Herz,
seine Nachricht unbeantwortet zu lassen und tippte rasch „Nach
der Ausstellung“ in mein Handy ein. Nach Monaten der Vorbereitung
war es endlich soweit. Die erste internationale Plüschsofa-Ausstellung
wurde in der Wiener Hofburg mit viel Prominenz aus dem In-und Ausland
eröffnet. Die Gräfin hatte die wunderbare Idee gehabt, den
Ausstellungskatalog in Form eines Plüschsofas zu gestalten, was
bei den Gästen sehr gut ankam. Nach drei Tagen mussten wir schon
eine neue Auflage drucken lassen. Pavel und die Gräfin waren im
Dauereinsatz. Wir mieteten während der Ausstellung ein gemütliches
Palais in der Wiener Innenstadt. Die Gräfin hatte sich sehr großzügig
gezeigt. Endlich hatte Catherine die Gelegenheit, sich bei den Witwen
gebührend zu bedanken. Chico blieb die ganzen vierzehn Tage in
den Ausstellungsräumen, gehörte quasi zum Inventar. Er liebte
es, Hof zu halten, besonders dann, wenn andere bereits alles erledigt
hatten. Meistens lag er dösend auf einem der Sofas. Wie immer war
er keine Hilfe für uns. Monsieur Trébuchet wich nicht von
meiner Seite. Als ich einen kurzen Schwächeanfall bekam, ich war
seit Tagen im Einsatz gewesen, legte mich Monsieur Trébuchet
behutsam auf das nächste Sofa, es war violett und grün gemustert,
setzte sich zu mir und hielt meine Hand, bis ich aus der Ohnmacht erwachte.
Gestern war der letzte Tag der Ausstellung. Wir sind sehr stolz auf
unseren Erfolg. Die Gräfin reist mit Pavel zurück nach Südböhmen.
Das violett und grün gemusterte Glückssofa wird an mir vorbei
getragen. Catherine hat hunderte Einladungen bekommen. Sie wird die
nächsten Jahre beschäftigt sein. Chico hätte das Ende
der Ausstellung beinahe verschlafen. Er wird morgen wieder nach Rio
fliegen. Ich kümmere mich noch um die letzten Erledigungen. Monsieur
Trébuchet wird mir dabei behilflich sein. Danach fliegen wir
nach New York. Er freut sich schon darauf, mir endlich sein herrliches
Loft zeigen zu können. Eigenartigerweise freue ich mich auch. Irgendwie
bin ich sogar glücklich darüber. Keine Ahnung warum.
Das Glückssofa erschien im September 2011 in der Literaturzeitschrift
DUM – Das Ultimative Magazin (Nr. 59 / Plüsch).